Dietmar Wischmeyer

Terror der Zahlen

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Nicht schlimm genug, daß man beim Friseur schon um einen Termin nachsuchen muß, nur weil er seine Schnippelbude jetzt Hairstylingcenter nennt. Nein, die Rezeptionsgöre am Telefon blafft einen auch noch an: "Geben Sie mir bitte Ihre Kundennummer!", hab ich natürlich nicht, schon gar nicht im Kopf. Der ist voll mit Bankleitzahlen, EC Card Geheimnummern und den Ziffern vom Fahrradschloß.
Ein Brief vom Finanzamt: Zahlen Sie bitte bis morgen grundlos 100.000 Mark!
Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid kann 20 Minuten lang Einspruch erhoben werden. Geben Sie dabei aber unbedingt unser Zeichen an. Es folgt ein 78stelliges alphanumerisches Gebilde, das man unmöglich fehlerlos abschreiben kann. Und das war's für den Einspruch.
Oh, verdammt! Ich muß ja noch zur Sparkassenfiliale, das Bußgeld fürs Falschparken einzahlen. "Haben Sie den Originalüberweisungsträger nicht mehr?" Bitte? Der hing zwei Wochen hinterm Scheibenwischer und ist vor lauter Taubenkacke ganz durchgeweicht! "Dann brauchen Sie die Kontonummer der Stadtkasse, Ihre Übertretungsnummer, das Autokennzeichen und natürlich die Bankleitzahl, und alles bitte in Blockbuchstaben auf den Überweisungsträger schreiben." Hab ich nicht, kann ich nicht, will ich nicht; weg ist der Lappen!
Terror der Zahlen. Alles fing damit an, als der Gilb die Postleitzahlen nicht nur um eine Stelle erweiterte, sondern auch noch jeder Haustür eine eigene verpaßte. Seitdem kenne ich keine einzige mehr auswendig. Doch kaum hat die Chaostruppe von der Post AG dieses Maximum an Verwirrung gestiftet, bastelt sie schon an neuem Mist. Umstellung der Postleitzahlen auf binären Code. Meine bisherige wird so 11 1 101 101 011, wer's rauskriegt darf mir schreiben. Zahlenkolonnen rauschen durch den Schädel und man weiß gar nicht mehr, wo man welche draufschreibt. Was gehört noch mal hinten auf den Euroscheck? Die Schecknummer, die Kartennummer oder die ominöse Bankleitzahl oder gar der PIN? Nein, den darf man ja keinem verraten. In grenzenloser Anbetung der Nummernfolgen muß man sogar die Bankleitzahl angeben, wenn an innerhalb der eigenen Bank Geld überweist. Die kalte Erotik der nüchternen Zahl läßt uns nicht mehr los.
"Ey! 10498LZ/7 komm her, Du fettes Schwein!", hör ich schon meinen Nachbarn mit seiner Frau schäkern. Ich jedenfalls habe erst einmal die Schnauze voll vom Zahlenterror und schigger zum Kiosk, um mir auf den Nerv eine Palette Kümmerling hinter den Riegel zu schieben. Unten bei Mustafa sehe ich schon von weitem ein Pappschild im Fenster hängen. "Bin erreiche jetzt nur noch Internet, http://www.hüdelhüdel.must*"
Ach, Du Scheiße!!!


(abgetippt von Thomas Bunz)