Dietmar Wischmeyer

Wertstoffsäcke

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Schön war die Zeit, als man seinen Hausmüll noch einfach in den Wald bringen konnte. Gelebte Anarchie einer hedonistischen Gesellschaft. Heute wird der Abfall zuerst in 8 verschiedenen Säcken sortiert und danach in den Forst gekippt.
Geboren ward der Wertstoffsack. Eine Offenlegung der Intimsphere aus durchscheinendem Plastik. Am Abend vor der Abholung streichen die Bekloppten durch die Straßen und glotzen in die Säcke der anderen. "Na? Wieviel Mariacron hat die dicke Nachbarin denn letzte Woche verklappt?", "Sieh an, dort wird die Stütze auch 1:1 in Appelkorn umgesetzt!" Doch wer heimlicher Trinker bleiben will muß in mühsamer Kleinarbeit die verräterischen Etiketten im Wasserbad von den Flaschen lösen, bevor sie im Wertstoffsack veröffentlicht werden können.
Die andere Geißel der Mülltrennung ist die Verlagerung der Deponie in die eigene Wohnung. Monatelang schwelen 8 Tüten im Wohnzimmer herum, bis sich endlich genug Joghurtbecherdeckel oder Verbundwerkstoffe gefunden haben, um den Sack an die Straße zu bringen. Schon im Supermarkt stellt man das Gebinde Chablis traurig ins Regal zurück und greift statt dessen zum 6er Träger Maggi, um endlich genug Braunglas für den Wertstoffsack zusammen zu bekommen.
Als es noch die einfache Mülltonne gab, in die alles unsortiert reingefeuert wurde, wußte jedermann: Gleich kommen die bösen Männer in orangenen Overalls und bringen meinen Schweinkram in den Wald, huiuiui, was bin ich doch für eine Drecksau! Das war gut und richtig.
Heute glaub der leicht zu täuschende Verbraucherblödi, er produziere tatsächlich Wertstoffe, wenn er den gleichen Schweinkram auch 8 Säcke verteilt in den Wald fahren läßt. So sammelt und sortiert die ganze nette Eigenheimfamilie tagaus, tagein die Plastikkacke aus dem Pupsi Markt und denkt wunders, was für brave Umwelthäschen sie doch sind. Bis, ja bis die bösen Männer in den orangeroten Overalls eine 30 Hektar große Deponie vor die Siedlung auf die Wiese knallen.
Ohhhhh, weint dann die Pedigree-Pal Familie und gründet eine lustige Bürgerinitiative gegen den Müllberg. "Wir haben doch so schön alles sortiert und gesammelt und viele viele Wertstoffsäckchen an die Straße gestellt. Und jetzt kommen die bösen Männer und wollen uns vergiften, daß finden wie gemein!" Sicherlich, aber Einfalt schützt vor Strafe nicht. Es ist, als ob eine Gesellschaft eine Bürgerinitiative gegen den eigenen Arsch gründen würde. Was kann der Hintern dafür, daß der Kopf soviel frißt? Wo sind denn die Bürgerinitiativen gegen die Pupsi und Hupa Märkte, die mit ihrem Verpackungsmüllfiliale noch das hinterletzte Dorf zupflastern? "Unsere Gesellschaft verwandelt wertvolle Rohstoffe in unverdauliche Scheiße", das ist die schlichte philosophische Wahrheit einer Hausmülldeponie, ehrlich und gut. "Du kannst soviel Mist kaufen wie Du willst, nachher trennen wird das solange, bis es ganz wertvoll ist", das ist die Lüge des Wertstoffsackes.
Drum kippt eure alten Lacke heimlich vor den Baumarkt, schmeißt die Einwegflaschen beim Hupa Markt Filialleiter in den Vorgarten und deponiert den Rest in euer Wohnzimmer, denn da gehört er hin!


(abgetippt von Thomas Bunz)