Dietmar Wischmeyer

Verpackungen

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Der Mensch ist des Menschen Wolf, formulierte einst der Lateiner in seiner klassischen Mundart und hatte da sicherlich die Hersteller von Audio- und Videokassetten im Auge, die aus reiner Schlechtigkeit ihr Wegwerfprodukt mit einer hauchdünnen Folie aus der Weltraumforschung überziehen. Als ob der Homo sapiens nicht schon genug geschlagen wäre, durch Krebs und Steuerpflicht, gibt es immer wieder nette Schöpfungskollegen, denen noch eine Schweinerei zusätzlich einfällt:
20:14:00 Uhr
In einer Minute läuft im Ferni Casablanca, und zwar der Director's Cut, in dem Adolf Hitler himself eine kleine Rolle in Paris übernommen hatte. Der überflüssig komplizierte VHS Kasten wurde mit Hilfe eines koreanisch holländischen Wörterbuchs schon vor Tagen programmiert, harharhar. Nur noch die frisch erstandene 180er reingeschoben.
20:14:45 Uhr
Etwas nervös geworden, versuche ich die Cellophanhülle mit Hilfe des eingeschweißten roten Bändchens zu entfernen. 1 Quadratmillimeter Hülle lösen sich problemlos ab, dann war's das mit dem Fisselband.
20:15:00 Uhr
Ahhhrrrg!!! Ein leicht debil wirkendes Ansagemädel murmelt einen zusammengestoppelten Text aus dem Heine Filmlexikon herunter. Gott sei Dank ! Mittlerweile kratzen die Finger wir ein eingesperrtes Rattenweibchen an der Folie herum. Autsch! Eine Heftklammer löst sich aus der Verpackung und fährt unters Nagelbett des Zeigefingers. Rutschig geworden vom frischen Blut, glitscht die Kassette auf dem Teppichboden.
20:16:00 Uhr
Das Ansagemäuschen hat das Gehirn wieder zugemacht und grinst derweil, bis der Kollege in der Regie aufwacht und die Kamera abzieht. Verdammt, verdammt! Adolf Hitler und Humphrey Bogart, eine Traumbesetzung. Endlich, ein Anfang ist gemacht! An einer Ecke löst sich das vermaledeite Kassettenkondom. Weitere 2 Quadratmillimeter VHS-Pelle lassen sich freischälen. Dem Himmel sei Dank hat sich jetzt noch der Werbeblock vor den Filmklassiker geschoben. Doofe Kinder und fusselnde Köter hampeln um Hundepralinen und Kombiautos herum. Nachdem die messerscharfe Pappkante ein weiteres Nagelbett in eine Blutlache verwandelt hat, erinnere ich mich an den Werkzeuggebrauch, den sich unsere Ahnen vor ein paar Millionen Jahren ausdachten. Schon hacke ich mit der Papierschere auf der feindlichen Folie herum und löse weitere 4 Quadratzentimeter aus ihrem Klammergriff. Dem Werbeblock hat sich allerdings schon die Kaskade der Progammtrailer angeschlossen, in denen der Sender auf sein komplettes Verblödungsangebot aufmerksam macht. Verdammt, verdammt! Die Klinik am Rande des Friedhofs, morgen 18:30 Uhr. Bosnische Frauen berichten über Inzest mit ihren beinamputierten Söhnen, Schreinemakers live, ich freue mich auf sie! Senderlogo. Nein!!! Noch sind Um es kurz zu machen: Die teilverbrannte VHS Kassette liegt im gelben Sack, Casablanca mit Adolf Hitler habe ich mir dann auch nicht mehr angeguckt, wozu, wenn man's danach nicht auf Kassette hat? Den Abend verbrachte ich mit einem Brief an die Firma Fuji in Japan, in diesem Schreiben stellte ich weitere Teilauslöschung der Tokioter U-Bahn Fahrgäste in Aussicht, falls sich an der Verpackungspolitik nicht umgehend was ändere....


(abgetippt von Thomas Bunz)