Dietmar Wischmeyer

Heteros

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

"Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei", hieß vor Jahrmillionen die korrekte Analyse des Schöpfers. Doch in seinem Wahn schuf der zur Abhilfe nicht etwa Fußballmannschaft oder Skatrunde, sondern die Heterokiste, die schon beim ersten Mal gnadenlos versagte.
Als es der Frau vor 100.000 Jahren gelang, den faulen Terzel zusätzlich in die Brutpflege einzuspannen, war das Elend komplett. Seither leben wildfremde Menschen gemeinsam in engen Verschlägen, und gaukeln der harmoniesüchtigen Welpenschaar die heile Welt der Chappi Werbung vor. Welch ein Preis dafür, seine zweifelhaften Gene in die nächste Generation zu befördern. Heteros suchen im anderen Geschlecht die Ergänzung ihrer eigenen Fehler zur Gesamtsumme der kompletten Unvollkommenheit, heiraten gezielt einen Idioten, den sie noch mehr verachten, als sich selbst, um alltäglich den kleinkarierten Übermenschen raushängen zu lassen. In der Familienzelle berauben sie sich gegenseitig der Privatsphäre, um das Nachdenken zu verhindern. Abermillionen Geschundene fliehen jeden Morgen aus diesem Gulag, um in der Arbeitswelt ein paar Stunden Ruhe und Erlösung zu finden. Dort lästern sie über ihre dumpfen Partner und bereiten durch unvorsichtige Genitalkontakte das Feld für des Dramas zweiten Teil.
Auflösung der heimatlichen Heterozelle. Da gibt es Sachwerte zu teilen, Bälger zu versorgen, Rentenansprüche aus Zugewinngemeinschaften auseinanderzudividieren und Anwälten die Rosette zu vergolden. Insgesamt der wirtschaftliche Supergau am Ende eines Weges, der mit einer winzigen Hormonausschüttung im Zwischenhirn begann. Obwohl jede miese Vorabendserie komplexer und interessanter ist, als das Leben der meisten Mitmenschen, stürzen sich die gepeinigten sofort nach Beendigung der einen in die nächste Heterofalle, um dort die nächsten paar Jahre Triebstrafe auszusitzen. Zum 2. Mal die ewig gleichen Stories des Gesponses an der abendlichen Knabberschale, die erneute Verdopplung der Verwandtenpacks, nochmal die nörgelnden Kommentare zur alltäglichen Lebensbewältigung.
Wo der Single schweigend zum Wasser abschlagen in die Naßzelle schreitet, sieht sich der Hetero zum Begleittext genötigt. " Du, Schatz, ich geh mal gerade Pipi machen!" Erfolgen diese Positionsmeldungen nicht in regelmäßiger Folge, verpetzt der Blockwart den Partner an die Polente. Kaum vorstellbar, daß eine Eheteilnehmer unangekündigt auch nur einen Tag vom vorgeschriebenen Kurs abweicht, ohne daß die Fahndungsorgane des Staates davon in Kenntnis gesetzt werden. So verläuft denn das Heteroleben im immergleichen Trott, weil man dem Kontrollorgan am häuslichen Herd sprunghafte Ausbrüche von Lebensfreude nicht erklären kann. Nur einer lacht, der Staat. Steuerlich gefördert, bringt er die Menschen dazu, sich in Zweierteams gegenseitig zu bewachen, damit keiner auf dumme Gedanken kommt.
Wer nun aber glaubt, der Homo hat es besser sieht sich getäuscht. Auch die Kollegen von der kontroversen Triebfixierung trachten danach, ihr Lebensglück in der kleinsten kriminellen Vereinigung, der Zweierkiste zu finden. Auch dort ist die Utopie, daß Menschen in friedlichen Skatrunden zusammenleben, weit entfernt.


(abgetippt von Thomas Bunz)