Dietmar Wischmeyer

Grinseköppe

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Grinseköppe starren uns an. Auf den briefmarkengroßen Blitzlichtfotos der Stadtmagazine begegnet uns die virtuelle Welt der guten Laune: Pipi und Bobo letzte Woche im Kaka, DJ Asshole beim ultimativen RaveEvent in Pepes Cholera-Stübchen. Gibt es diese Menschen wirklich? Kriechen Sie beim ersten Sonnenstrahl zurück in ihren Sarg? Oder bügelt ihnen Mama morgens die verschwitzten Unterhosen wieder auf? Wenn die Morlocks der City am Abend an der Sirene ziehen, verwandeln sie sich in eine kollektive C&A-Werbung und strömen den sinistren Spelunken entgegen: Fresse zeigen in der Osho, ein Toter Leguan auf Eis im Zaza, Fisch sucht Fahrrad, Fiskalarm im Teckelzwinger - ja, wir machen durch bis morgen früh und singen bumsfallera. Irgendwo werden sie schon sein, die bleichen Grottenolme der Szenepresse, die einen in die Hall of Farne der Klatschspalten hochknipsen. Oje, feiert nicht Schauherbacke vom Teenager Voodoo Club seinen 50sten heute, ist nicht im Exitus die irre geheime Insider-Schaum-Party? Und was ist eigentlich mit dem Rave im katholischen Gemeindehaus? In ständiger Angst, nicht dabeigewesen zu sein, hetzen die Nachtasseln durch die City, um die angesagten Events nicht zu verpassen. Welch geheime Bruderschaft es denn ist, die einen Ort "ansagt", das bleibt im verborgenen. Zu vermuten ist, daß eine Runde abgewichster Altgastronomen sich darüber verständigt, in welcher Glitzerbude den Bekloppten jeweils die Geldkatze gemolken wird. Dem graumelierten SLK-Fahrer nebst halb so altem Matratzenschoner wird die gediegene Räumlichkeit von Harry J. Fistfucks New York Bar angedient, der Büroschnulli mit seiner Tusse im billigen TexMex-Schuppen abgekocht und Mister 180 Beats samt Bulimie-Gespenst blutet in der Technohölle. Alle nähren sich an dem Versprechen, zur raren Gruppe der Trendsetter zu gehören, deren Fratzen die Partyseiten der Prospektmagazine füllen. Die Steigerung des Dabeigewesenseins ist nur noch die eigene Inszenierung. Auch wenn es schon megatoll ist, auf der Geburtstagsparty von Bata llic seine Visage in die Pressekamera zu halten, so liegt noch mehr Ruhm darin, wenn die jaulende Balkan-Hackfresse auf der eigenen Fete vom Fotografen erwischt wird. So bescheiden der lokale Szeneruhm auch ist, so unerbittlich sind seine Gesetze. Wer kommt rein ins Brevier der happy people? Da ist erst mal das frische Weiberfleisch unter der Ueberschrift "Gesehen an der Seite von", es folgt der Name eines sattsam bekannten Edelalkoholikers. Wer den Pulli hoch- oder den Schlüpfer runterreisst, darf auch alleine kommen. Gerne auch belichtet wird der örtliche Promi, der in der großen weiten Welt reüssierte, vorzugsweise in der Gestalt des ewig jungen Rockgitarristen. Das Brot des Klatschfotografen aber sind die Nacht- und Szeneeulen, von deren Faces kein Mensch 2km hinter der Stadtgrenze je gehört hat: "Sybille Prömmel vom Nagelstudio Kaiser wurde auch gesehen", heißt es dann sybillinisch, oder "Zeigte sich guter Laune: Paki Amsaki aus dem BongoBongo". Die Fremdheit dieser Welt wird einem erst in ihrer Gänze offenbar, wenn man die Szeneseiten einer anderen, nicht der eigenen Stadt betrachtet. Zwischen Bielefeld und Berlin ist da kein Unterschied, denn was die Todesanzeigen dem Tageszeitungsleser sind, ist dem jungen Printmedium-User die erstarrte Fröhlichkeit in den toten Fressen der Grinseköppe. Schade: wieder keiner dabei, den man kennt.


(abgetippt von Thomas Bunz)