Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.
Irgendwann, wenn es diese Zivilisation längst nicht mehr gibt - in
etwa drei oder vier Jahren - wird man die Epoche, in der wir jetzt 
leben, die Zeit der "Gewerbegebiet-Leute" nennen. Ähnlich wie es vor uns die  
Schnurbandkeramiker oder die Pfahlbauleute gab. Nichts prägt den
Beginn der 90er so stark wie das alles überwuchernde Gewerbegebiet, diese  
Architekturkotze aus Reno-Märkten, Wohnmobil-Absattelplätzen und kalt
hingeschissenen Pizzabuden. Längst ist nicht nur der armselige
Proletarier  
in die kubische Wüste an der Autobahn verbannt, auch der
White-Color-Malocher bewohnt seinen Bürosilo zwischen Obi und Pupsi. Alle großen
Hotelketten haben ihre Vertreterfallen an die Autobahnausfahrten
gerückt  
und lauern mit Schnupperwochenenden auf den Zweit-Beschäler und seine
Sozia aus dem Vorzimmer.
Nachdem die Stadtverwaltungen durch rigide Lärm-  
und Parkverordnungen das Disco-Abzockergewerbe von der City in die  
Outskirts vertrieben haben, fehlten zur kompletten integrierten  
Vergnügungseinheit eigentlich nur noch die Daddelhallen und die  
Kolleginnen von der horizontalen Front. Doch sie sind schon längst
dort. Während man beim Reifen-Spezi den Pneu auswuchten läßt oder im
Car-Hifi-Stadl der neue Brüllschrank in den Japaner montiert wird, kann Pappa
eben  
auf dem Restehaufen des Teppichbodenparadieses die Professionelle  
bespringen. Danach 'ne Krakauer im Niedersachsengrill oder bei Möbel
Finke im Cafe 'n Stück Schwarzwälder.
Ist doch schön? Ist doch klasse. Du hast  
einfach alles im Gewerbegebiet, und kein Scheiß Denkmalschützer regt
sich  
auf, wenn morgen früh der Real-Kauf gesprengt wird, keine  
Anwohnerinitiative nörgelt an Pseudo-Krupp verseuchten Kleinkindern
herum,  
bloß weil achtzigtausend Autos täglich durch die Stadt der Zukunft
fahren.  
Denn das ist ihr Geheimnis, das macht Gewerbegebiet-City so attraktiv
für  
alle: Hier wohnen keine Menschen, keine miesepetrigen Tempo 30-Lehrer,
keine Kinder, keine Alten. Gewerbegebiet-City ist Future-Town: nur
noch  
Verkauf, sonst nix. und wer nicht kauft, fliegt raus. Fast alle, die
was  
zu verkaufen haben, sind schon hier: der Auspuff-Discounter, der
Tapeten-Fritze, der Spielzeug-Verbrecher, die Lebensmittel-Vernichter, Mister
Minit, Praktiker, Obi, Dubi Du. Nach ihnen kamen die Discos, die
Kino-Center, die Fitneß-Hallen und die Buletten-Tempel, bald kommen die
Kirchen  
und die Drive In-Krematorien, und in ein paar Jahren haben wir
vergessen,  
was eine richtige Stadt war, denn überall ist Gewerbegebiet-City, wo
du  
fressen, saufen und nageln kannst, deine Teppichfliesen und
Intimsprays  
kaufst, deinen Gott nicht findest und erst recht nicht dein Auto, das
du irgendwo zwischen dreitausend anderen geparkt hast. Und wenn du
nichts mehr kaufen kannst oder willst, wenn du nicht mehr saufen und nicht
mehr fressen kannst, weil du vorhin schon nach der Krakauer gekotzt hast,
dann  
mußt du raus aus Gewerbegebiet City, zurück in deinen Betonkäfig
zwischen  
die anderen Käfige und im Fernsehen gucken, was du dir morgen holst
in BIG  
Gewerbegebiet-City. Denn dort, wo man dich wohnen läßt, gibt es
nichts  
mehr: kein Kino, kein Brötchen, keine Krakauer, keinen Gott. Nur
einen  
verwarzten Köter und einen alten Mann, und einer von beiden pißt
jeden Morgen in den Lift. Hasta la Vista, Mädels.
(abgetippt von Thomas Bunz)  |