Dietmar Wischmeyer

Gäste

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Sie kommen - am liebsten unangekündigt oder nach neunmadiger telefonischer Rücksprache. Sie gehen - wenn überhaupt, nachdem alle anderen vor Langeweile ins Koma gefallen sind oder der Getränkevorrat bis zur Bilge gelenzt wurde. GAESTE! Wenn sie am Horizont auftauchen wie eine der sieben biblischen Plagen, hilft es nur noch selten, mit eilig heruntergelassenen Jalousien längere Abwesenheit vorzutäuschen. Meist haben sie schon ihren Kombinationswagen quer hinter drei Nachbarautos geparkt, die eilig zum Flughafen oder zur Blutwäsche müssen. Als wäre ihre eigene Anwesenheit nicht Geißel genug, haben Gäste gerne einen irgendwie ekligen Familienangehörigen im Schlepptau: sei es die furunkulöse Oma oder eine läufige Fuchshundmeute - alles liebe Kerls. Vielen Dank. Sowieso dabei sind die mißratenen Fortpflanzungsversuche nebst einer LKW-Ladung rappelnden Plastikspielzeugs - ist ja soviel Platz in dem neuen Kombinationswagen. Hereinspaziert. Kaffee, Kuchen juppheida. Mit dem Kriegsruf "Kann ich irgendwas helfen?" wird die wohlverwahrte Einbauküche in ein Chaos verwandelt. Nachdem das Tortenfuder ordnungsgemäß verklappt ist, kommt die Hauptattraktion der Gästebetreuung: debil um einen Tisch herumsitzen, Chips fressen, Quarzen, bis der Ficus fault, und blöde Scheiße labern. Merke: Der Anteil des Dumpfsinns am gesprochenen Wort verhält sich direkt proportional zur Anzahl der Gesprächsteilnehmer. Ab sechs Leuten - so die Faustregel - regieren nur noch uralte Witze, schale Spontanscherze und reflexionsfreies Geblubber die Runde. Um so erstaunlicher, daß dieser Dünnschißmarathon gut und gerne seine zehn Stunden währen kann. Dieselben Leute, die lauthals nach mehr Freizeit blöken, verplempern diese fast täglich durch sogenannte Geselligkeit - da trifft sich, was nichts mit sich selbst anzufangen weiß, und züchtet Hämorrhoiden bei Bier und Fluppen. Irgendwann ist der Salzbettentrog leergefressen, und der Ruf nach Geselchtem und Gesottenem wird laut. Der rechnende Gastgeber wirft dann den Pansengriller auf den Rost und zaubert aus der günstigen Eiernudel und der Aldi-Mayonnaise ein schmackhaftes Magenfundament. Auf diese Weise recht kostenneutral abgefüllt, hofft der Heimgesuchte auf einen baldigen Abschied der Geißelgeber. Doch nichts ist. Durch den fleißigen Genuß bunter Liköre haben die Bewirtungszecken schon am Nachmittag ihre Fahrerlaubnis blank geschmissen. Wär' doch blöd, jetzt nicht weiterzusaufen. So folgt der zweite Aufzug des bräsigen Scheißelaberns in nikotinverseuchter Stube. Freund Allohol, wie immer dabei, glättet die gröbsten Verwerfungen des abgesonderten Schwachsinns. Endlich: halb vier in der Nacht: Keiner weiß mehr was Witziges, drei Leute schnarchen, einer kotzt, zwei diskutieren über Bosnien. Da wird's Zeit für die vielköpfige Gästeschar, das Nachtlager zu richten: Sofas ausklappen, Betten beziehen, versaute Nachtlektüre bereitlegen und Kotzeeimer holen. Und während die komatösen Besucher sich ins beduselte Nirwana rasseln, räumt der Heimgesuchte seine Wohnung auf: dreißig Aschenbecher entleeren, ausgesogene Flaschen nach Farben und Pfand sortieren, Kotzeflecken aus dem Perser rubbeln, lüften und nochmals lüften, dreckiges Besteck aus dem Bücherregal fingern, Spülmaschine einräumen, mit den Gästekötern noch mal Gassi gehen ... Verdammt, schon halb sechs. Schnell das Frühstück für den Besuch gezaubert, und nix wie weg zur Arbeit. Die können ja ausschlafen. Na - war doch wieder mal ein schöner Abend!


(abgetippt von Thomas Bunz)