Dietmar Wischmeyer

Sonnabends in der City

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Trotz gegenteiliger Propaganda durch das tägliche Fernsehprogramm darf man andere Menschen gar nicht mit der Axt zerteilen. Wie aber dann ist ein Vorwärtskommen in der Fußgängerzone am langen Samstag zu bewerkstelligen?
An Schnäppchenführers Geburtstagen torkeln die Konsumspasten wie waidwund zerschossene Wildschweine durch die innerstädtischen Waschbetonreviere. Um möglichst viele andere Bekloppte und Bescheuerte anzurempeln, wird jedem fettleibigen Monster durch Taschen und Pakete eine Spurverbreiterung auf 2,50m verpaßt. Aussichtslos, solche Einkaufskreuzer überholen zu wollen. In den jeweils äußeren Plastiksäcken transportieren sie scharfkantigen Messingnippes aus der Eduschoforschung und sind sie kleiner als 1,60m haben sie garantiert einen Schirm aufgespannt, um mit dessen Zacken in Augenhöhe des Durchschnittseuropäers operieren zu können.
Nach dem Zufallsprinzip bleiben sie immer wieder unverhofft stehen und verursachen lustige Aufgehunfälle. Die Widerwärtigsten von ihnen kaufen sich 5m lange Vorhangschienen und fuchteln damit in den Gesichtern ihrer Mitidioten herum.
Wehe dem, der tatsächlich etwas zu erledigen hat, hoffnungslos ist er den Konsumvielfraßen ausgeliefert, die nur an sich raffen, um möglichst viel Platz wegzunehmen. Mit scheinbar abwesendem Blick reiben sie in den Kassenschlangen ihre Genitalien an den Einkaufstaschen des Vordermannes oder schubbern am hart umkämpften Grabbeltisch herum. Für sie ist die Einkaufshölle des langen Samstages der Darkroom ihrer perversen Seele. Mit geladenen Schwellkörpern suchen sie die Enge der Kaufhäuser, suhlen sich in den Körperdünsten der Park an Ride Gefangenentransporte oder pupsen wollüstig mitten in den Öffi.
Es gibt Zeiten, da erlahmen in jedem die ansonsten allgegenwärtigen Ausrottungsphantasien, da will man nicht mehr unbedingt mit einer gezielten Atombombe die Warteschlange an der Supermarktkasse bevölkerungspolitisch bereinigen. Nein, es kommt sogar eine gewisse Restsympathie für den Kollegen Mitmensch auf. Er will schließlich auch leben, warum sollte man ihn durchsägen? Damit daraus keine unkontrollierte Nächstenliebe wird und die Fundamente unserer kapitalistischen Werteordnung in Frage gestellt werden, hat der Gesetzgeber vierwöchentlich den langen Samstag in den Kalender eingerückt, in wahrendem Gedenken an den Mitmenschen als Arschloch.
Es ist der einzige Feiertag, der seinen Zweck erfüllt. Wer gedenkt schon der verblichenen Oma am Totensonntag? Wer büßt am Buß- und Bettag? Doch am langen Samstag, da versammeln sie sich in den Tempelbezirken der Städte, rempeln und fressen, schubsen und saufen, bis sie einander nicht mehr ausstehen können und am Abend in ihrer Zelle wissen sie es wieder: Was bin ich doch für ein Wunderwerk der Schöpfung und was sind die anderen doch für widerwärtige Arschlöcher. Und die Botschaft, die diese Gesellschaft am Leben erhält ist wieder in den Gehirnen und auf den Kofferraumklappen kleben wieder die ausgestreckten Mittelfinger.


(abgetippt von Thomas Bunz/ *ns*)