Dietmar Wischmeyer

Baumärkte

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Draußen vor den Toren der Stadt liegen sie wie grellbunte Raumschiffe in der Mittagssonne und brüllen uns mit widerwärtigen Neonreklamen an: Baumärkte: Tempel einer okkulten Sekte, die die Spanplatte verehrt und den Dübel anbetet. Zum lauten Wummern der Kabeltrommel strömen sie in ihre gottlosen Kultstätten, fingern vernickelte 6-mm-Linsenkopfschraubbolzen aus den Bundesladen und spannen vor erwartungsfroher Gier den eigenen Piephahn in das willige Bohrfutter eines niedlichen Akkuschraubers.
Draußen an den Tingelplätzen der Bekloppten und Bescheuerten stehen die Menhire der Heimwerkerära: Aluleitern zum Aufklappen, Ausziehen, Befingern und Begrapschen. Unterwasserpumpen blubbern brackige Brühe in imaginäre Folienteiche, Schubkarrenmulden türmen sich wie Panzer gemordeter Riesenschildkröten vor dem Eingang des Labyrinths. Irgend jemand muß ein koreanisches Containerschiff mit Dreifachsteckdosen überfallen und den ganzen Weichplastikramsch in die Vorhölle des Bastler-Orkus gekippt haben.
Zwischen den Regalen aufgebaut stehen Videomonitore mit den schlechtesten Filmen der Welt : Endloßerien, in denen unsympathische Mitdreißiger rote Plastikkästen über ihren Köpfen schwenken, aus denen angeblich keine Farbe entweicht, oder autobiographische Streifen von Franz Beckenbauer, in denen er mit einem neuen Schlagbohrmaschinenzusatzgerät seine Bayernkrause stutzt. Schmerwanstige Männer schleppen Styroporplatten mit Eichendekorfolie zum Ausgang, um die Freizeit damit zu versauen, den Wert ihrer Wohnung dramatisch zu senken. Frauen kaufen dunkelgrüne Wabbelmasse, die aussieht wie angefaulter Büffelpansen, und dutzendweise Schnittblumenleichen, um damit ihre Wohnstuben in eine teutonische Ikebanahölle zu verwandeln.
Dazwischen strolchen erwachsene Männer in absurden hellorangefarbenen Kitteln, die trotz gleissenden Neonlichts der riesigen Betonhalle die muffelige Schwiemeligkeit eines Tuntenballs bei der Staatssicherheit Ende der 50er Jahre verleihen. Immer wieder erstaunlich, auf welch häßliche Weise man Wasser aus der Wand laufen lassen oder die ehrliche Präsenz einer Glühbirne zerstören kann. Messingbeschlagene Tapirschniepel konkurrieren mit gebürstetem Chromvanadiumstahl in Form und Größe eines wahrhaftigen Shetlandponipimmels um den Platz über der Porzellanmuschel. Doch wer sich in der Sanitärabteilung noch nicht erbrechen musste, dem bleibt das Lampenrevier : Gelb-bräunliche Oma-Unterhosen stülpen sich über ach so vernünftigen Energiesparleuchten, und tranige Glimmerfunzeln flackern auf schmiedeeisenbewehrten Eichenplanken. Seinem ärgsten Feind würde man nicht wünschen, sein Leben in derartig widerwärtigem Ambiente zu verschleudern. Dennoch: Jeden Sonnabend zieht es Millionen irregeleiteter Gestalten in die Sakralbauten des kollektiven Bastelwahns. Der einzige Trost für die am Rande Stehenden: Auch die gutmütigste Rasenkantenschere läßt ihren Besitzer nicht auf Dauer ungeschoren. Und dort, wo appe Finger bluten, leuchtet - wo sonst nur Schwachsinn herrscht - ein versöhnlich Lichtelein in der Welt.


(abgetippt von Gerd Schlemermeyer)