Dietmar Wischmeyer

Mein Freund, der Zaun

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Wenn der deutsche Mensch sich fortpflanzt, dann kriegt er Kinder. Wenn er Stacheldraht um seine Hütte zieht, dann friedet er sein Grundstück ein. Soviel zur Völkerpsychologie! Viel lieber als die Gattin streichelt der Teutone sein Gatter, am liebsten mit dem Dachshaarpinsel, frisch in Xylamon getunkt. So hockt er sommertags auf wackligem Campingstuhl vor dem Jägerzaun und pinselt sich in einen preiswerten Rausch aus Holzschutzdämpfen. Denn sie bedarf der steten Pflege, die Grenze zum Feindesland. Dahinter lauert zumeist der Nachbar, dem die bleckenden Zähne des weißen Staketenelements entgegengrinsen. Ständig freizuhalten wie weiland die Zonengrenze ist auch der Grundstückszaun vor illegalem Bewuchs. Wohl um republikflüchtige Wanderratten vom Grenzübertritt fernzuhalten, wird das Gras unter, vor und hinter dem Zaun mit der chemischen Keule kurzgehalten. Fehlt nur, daß Gartenzwerge mit geschulterter Kalaschnikow am Ziergitter Streife laufen. Verheerend ist der Todesstreifen für die Kollegen aus dem Kerbtierbereich. Kein Insekt, keine Larve überlebt auf Dauer den Agent-Orange-Einsatz am Jägerzaun. Als böte selbst der Löwenzahn dem Vietcong Unterschlupf und Nachschubwege, rückt der Gartenmann mit der Giftspritze aus und sprüht die grüne Hölle braun. Viel Wesens wird um den Zaun erst gemacht, seitdem er zu einer lächerlichen Restexistenz geschrumpft ist. Wen im Ernst sollen denn noch 60cm hohe Maschendrahtverhaue abhalten? Rumänische Liliputanerbanden, die mit Tretautos die Villenvororte unsicher machen? Als die Zäune noch aus zwei Meter hohen Mauern bestanden, gekrönt von Glasscherben oder schmiedeeisernen Bajonetten, kümmerte sich keiner um sie. Wozu auch, denn sie hatten den Menschen zu beschützen, heute beschützt dieser den Zaun, paßt auf, daß niemand sein Fahrrad anlehnt und daß der Knöterich nicht die kesseldruckimprägnierte Latte erwürgt. Der Zaun ist ein Zitat geworden, eine Reminiszenz an das beschützte Leben des alten Bürgertums. Die albernen Meerschweinchengehege heutiger Vorgärten beschützen niemanden mehr, beanspruchen aber im Dekor noch immer die einstige Grandezza. Da ist der weiße Zwergpalisadenzaun im Stile einer texanischen Ranch, der bei einem 50-Quadratmeter-Gärtchen den Angriff der Mescalero-Teckel abwehrt. Da gibt es die graue Plastikquerlattung im klassischen Bauhausstil der Autobahnleitplanke. Dahinter hat der Fernfahrer sein bescheidenes Heim gezimmert. Ewig jung ist auch der Maschendraht, nüchterne Rottweilerbremse zum Gehweg hin. Doch Wergs etwas gediegener haben will, der adelt durch den Zaun sein schäbiges Eigenheim. Warum nicht dem abgegriffenen Reihenhaus das Flair eines Toscana-Weingutes verschaffen? Fünf laufende Meter Grundstücksgrenze bieten da unendlich viel Gestaltungsspielraum. Locker noch ein paar Terrakotta-Pudel auf dem Rasen verstreut und gelenzte Lambruscopullen verkehrt herum in die Rabatte gerammt! Allerdings paßt zum Handtuch vor dem Reihenhaus eher die japanische Gartentradition. Da wird der Baumbewuchs mit der Motorsäge zum Bonsai geschnippelt und das Fuder Bauschutt in einen Steingarten uminterpretiert. Und alle diese putzigen kleinen Welten beschützt des Deutschen liebster Kumpan, sein Freund der Zaun. Wen wunderts da, daß der weltlängste einst durchs ganze Land verlief.


(abgetippt von Thomas Bunz)