Dietmar Wischmeyer

Karneval

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Für den Deutschen wird das Leben erst richtig schön, wenn es im Verein betrieben wird. Nur die Angst vorm miesen Abschneiden im offenkundigen Schniepelvergleich hält ihn davon ab, auch den ehelichen Akt in einer Horde lustiger Kameraden abzuziehen. Nur beim Witz ist es dem Deutschen gelungen, der Spontanität ein für allemal das Wasser abzugraben und die Witzleiche endgültig zu beerdigen. Karneval ist der Name des Sarges. Und an drei Tagen im Jahr wird er durch die Gemeinden getragen. Vornehmlich in den Regionen Deutschlands, die sich dadurch auszeichnen, daß ihre Bevölkerung an der Entwicklung der Schriftsprache nicht teilgenommen hat, wird die Lustigkeit im Stahlkorsett vorgeführt. Auf sogenannten Prunksitzungen öden senile Blödiane mit Witzen, die schon Ötzi in der steinzeitlichen Bäckerblume langweilten, einen Haufen noch gröserer Volltrottel an, die dafür auch noch Geld bezahlen. Unmengen pubertierender Mädchen in Phantasiereichswehruniformen mit Einblick im Schritt geilen sabbernde Lokalgrößen in der ersten Reihe auf, und debile Barden reimen sich zur Gitarre den Wolf, bis den aufgedonnerten Trullas im Parkett das geplatzte Mieder um die Ohren fliegt. Wem das noch nicht reicht an widerwärtigem Ekelfrohsinn, der kann sich noch den Jeckenumzügen durch die Innenstädte stellen. Ein Lindwurm aus durchgeknallten Obimärkten ringelt sich durch die Straßen. Auf den Wagen stehen dralles Weiberfleisch und verlebte Kommunalpolitikerfresse, genannt Alfons der Viertel vor Zwölfte und seine Prinzessin Vagina die Dritte. Es folgt ein Troß aus quäkenden Schalmeien und paramilitarischen Idioten, die mit Plastikgewehren in der Gegend rumfuchteln. Wenn sie Holz vor der Hütte haben, heißen sie Gonsbach-Lerchen, mit Pferd unterm Arsch Meenzer Kleppergaard. Das könnte ja alles ganz lustig sein, wenn es nicht in der humorlosen Akribie einer Kfz-Hauptuntersuchung beim TÜV ablaufen würde. Damit trotz aller Vorkehrungen auch kein Spaß aufkommt, gibt es zusatzlich zu den Wagen mit den bekloppten Pseudomonarchen auch noch solche, auf denen angebliche Witze in Pappmache eingefroren sind. Da nagelt ein fünf Meter großer Helmut Kohl ein riesiges Schwein mit der Aufschrift "stabile Leitwährung", und am Wagenrand steht in mannshohen Lettern: "Ja, dem Kohl, dem Kohl, dem is nich wohl, ei gucke da die Wutz is hohl." Selbiger Witz wurde von einem Team des Blau-Weiß Hückeswagen in drei Monaten erarbeitet, dann einstimmig vom Vorstand verabschiedet und in 1200 Arbeitsstunden in einen Wagen umgesetzt. Bravo. Alle Achtung. Blau-Weis Hückeswagen. Wer meint, diese Form von grausamer Witzigkeit liesse sich nicht steigern, dem seien die Karnevalsumzüge in Oldenburg, Vechta oder Hannover empfohlen. In Köln oder Düsseldorf sind die Menschen von der eigenen Dämlichkeit so gefangengenommen, daß sie nichts mehr merken. Bei den erbärmlichen Veranstaltungen in Norddeutschland ahnt hingegen jeder Dorftrottel, daß das, was hier abgezogen wird, nicht im entferntesten an Lustigkeit grenzt, und nur dem wachen Auge des Gesetzes ist es zu verdanken, daß sich die Zuschauer nicht auf der Stelle vor tiefer Verzweiflung an einen Laternenmast knüpfen. Helau und Alaaf.


(abgetippt von Thomas Bunz)