Dietmar Wischmeyer

Häßliches Land

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Schon seit langem warte ich darauf, daß Sightseeing-Busse für ausländische Touristen vollgekotzt in die Depots zurückgebracht werden, daß Bürger aus ästhetischen Gründen dieser Republik auf ewig den Rücken kehren. Machen wir uns doch nichts vor: Deutschland ist Backenhäßlich. Wohin man schaut, möchte man am liebsten lang in die Landschaft brechen. Gleichförmiger Siedlungsbrei frißt sich mit seinen Knack- und Backhütten in die Feldmark, Hochregal-Auslieferungslager locken LKW-Kolonnen in den fernsten Winkel der Provinz. Umgekehrt proportional zur schwindenden wirtschaftlichen Bedeutung dieser Lahmarschrepublik klekkern die Bürgermeister Gewerbegebiete in die Flora, eins widerwärtiger und leerstehender als das andere. Dazwischen siedelt die Konsumzecke in seinem Futterhäuschen fürs Fernsehen und ungestörtes Vögeln. Mit der Wasserwaage hat er die Stiefmütterchen in die Krume gesteckt, mit dem Senkblei die Krüppelkonifere am Plattenweg ausgerichtet. Der ganze Vorgartenscheiß sieht aus wie eine Gartensimulation auf einem 64er Commodore PC aus den frühen Achtzigern. Des Deutschen Königsweg in die häßliche Aufbereitung seiner Gaue ist die Parzellierung. Zuoberst werden Wohn-, Gewerbe- und Einkaufsgebiete abgesteckt. Darin darf man nur das tun, was vorne dran steht, damit keine Abwechslung entsteht. So geschult, parzelliert der Blödian natürlich lustig weiter auf der eigenen Parzelle. Da gibt's die Sonderzonen für Blümchen, für Autos, für Hundekacke, für Kinder und die Wäscheleine - alles durch Betonkantsteine voneinander getrennt. Denn am meisten Angst hat der parzellierwütige Deutsche vor dem Übergangsbereich, jener schwul-südländischen Geisteshaltung, in der beispielsweise Rasen und Verbundpflaster allmählich ineinander übergehen oder das eigene Grundstück nicht durch einen antikommunikativen Schutzwall abgeschottet wird. Einher geht mit dem Drang zur Parzelle beim hiesigen Knallkopp die deutscheste aller Paradiesvorstellungen: Alles hat seine Ordnung. Das Auto steht auf der rotgefärbten Betonplatte und nicht etwa auf dem Rasen, und der Löwenzahn wächst schön brav im zugewiesenen Gartenbiotop. Traut er sich über die Betonkante: Kopp ab! Und genau das ist das tiefe Geheimnis der Häßlichkeit in diesem Land: Alles ist an seinem Platz und strahlt eine ekelerregende Nettigkeit aus. Hinzu kommt natürlich noch die geradezu unfassbare Dämlichkeit hiesiger Bauherren: Wie mit der Streusandbüchse werden Fensteröffnungen wild auf der Fassade verteilt, burmesische Pagodenpforten aus friesischem Klinker gemauert und der hellblaue Dachstein auf den Krüppelwalm geknallt. Menschen dieser Welt, schaut auf das deutsche Eigenheim, und ihr wißt, wieviel Scheiße in den Köpfen seiner Bewohner rumliegt. Pikant gewürzt wird die gemauerte Kotze durch die Kreationen der Verbrauchermarkt-Aufsteller. Fernab jeder landschaftlich geprägten Architektur ballern sie die überall gleichen Flachbunker in die Dorfkerne und malen sie gelbrot an. Warum erbarmt sich eigentlich keine unterbeschäftigte terroristische Vereinigung dieser wegsprengenswerten Gebilde? Ich beantrage hiermit bei der UNESCO, 95% aller Gebäude in Deutschland mit einer Kennzeichnung zu versehen, die sie ausdrücklich im Falle eines Krieges für die Bombardierung freigibt.


(abgetippt von Thomas Bunz)