Dietmar Wischmeyer

Fleisch

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Ein x-beliebiger Supermarkt vor den Toren der Stadt. An der weißgefliesten Wand erstrecken sich 30 Meter Fleischtheke wie blutige Seziertische in der Gerichtsmedizin für Mastschweine. In riesigen Bottichen fault sogenanntes "Pfannengyros" dem Endverbraucher entgegen, breitgeprügelte Frikadellen mit Vogelfutterstreusel geben das Holzfällersteak. Immer wieder neu und unterhaltsam ist die Schweineleiche. Besonders bei der Grillvorlage tobt die Phantasie des Fleischdesigners. Aufgerollter Bauchspeck, in Schießpulver geschwenkt, mutiert zum Pußtaspieß, Fußnägelgrütze im Zwölffingerdarm windet sich als Bratwurstkringel am Mikadostengel. Das größte aber sind die Zinkwannen mit Thüringer Mett und dem legendären Halb und Halb. Hier hat der Schweineschlitzer die tote Sau am Stück in den Schredder gedrückt, mit Pökelsalz und Flomenresten aufgemotzt und die Leichenmansche breiig in die Wanne gestürzt. Da freut sich der Endverbraucherin, kann sie doch aus dem geduldigen Schweine-Fimo einen Großteil ihrer häuslichen Horrormahlzeiten kneten: ad 1. Der Hackbraten. Hierbei wird der Nährwert der Flomenknete durch eigene Zutaten noch weiter runtergefahren, sehr beliebt sind verschimmeltes Toastbrot aus der Fabrik und Brühwürfel, der Inbegriff des Herzhaften in der deutschen Kleinbürgerküche. ad 2. Die Frikadelle. Sie kann die Verwandtschaft zum großen Bruder, dem Hackbraten, nicht leugnen, beherbergt zusätzlich allerdings noch eine ganze Batterie Gemüsezwiebeln, damit Vatters Selbstbewußtsein wieder wächst, wenn er seinen Freund, den Mastdarm, spürt. Täglich produziert die Fleischindustrie güterzugweise Schweineschredder, damit die wichtigste Errungenschaft der Arbeiterbewegung nicht verlorengeht: jeden Tag einen Brocken tote Sau auf den Tisch. Neben dem gemanschten Viehkadaver hält sich in der Beliebtheitsskala nur das Schnitzel, die Volksdroge Nummer eins. In der Fleischtheke schon bratfertig frisiert zu kaufen als Wienerschnitzel in Sägespanhülle, als Jägerschnitzel in hellbrauner Pampe mit Plastikpilzen und, als die Krönung multikulturellen Schweinetunings, das Zigeunerschnitzel. Jeu, Ziga, nimm deine Geige und heiz uns den Darm. Eine Tunke aus zermahlenem Marika-Rökk-Filmen, etwas Alexandra und einer Messerspitze Lilo Pulver verwandelt den faden arischen Frass in loderndes Balkanfeuer. Und - jetzt kommts - dieses gottgleiche Dreigestirn der deutschen Fleischgestaltung gibt es in einer B-Reihe zusätzlich auch als Kotelett - neben dem hehren Manta sozusagen noch den Ascona der teutonischen Schweinewelt. Da ist das gleichfalls extrem multikulturelle Zigeunerkotelett, das eher bieder-konservative Jägerkotelett, und im Unterschied zur Schnitzelreihe kennen wir in der Economy Class den Vertreter im Spanplattendekor nicht als Wiener, sondern lediglich unter der Bezeichnung "Kotelett". Übrigens für alle, die erst jetzt in die Szene der Schweine-Klassiker einsteigen: Die Panade-Edition gibt es auch kalt direkt aus der Vitrine. Mit megascharfem Löwensenf eine Delikatesse der späten Stunden am Biertresen. Jäger und Zigeuner sollten dagegen nur heiß verzehrt werden, da die namensgebende Tinktur auf der Oberfläche im kalten Zustand ein eher unappetitlich lepröses Erscheinungsbild abgibt. Heil Fleisch!


(abgetippt von Gerd Schlemermeyer)